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Migrationen

  • Autorenbild: Clara Ebinger
    Clara Ebinger
  • 22. Juli
  • 4 Min. Lesezeit

Als Migration bezeichnet man die Veränderung des Wohnortes oder Lebensmittelpunkts über längere Zeit, über größere Entfernungen oder auch administrative Grenzen, wie zum Beispiel zwischen Ländern. Die Form von Migration, die am häufigsten als Migration bezeichnet wird, ist wohl die Ein- oder Auswanderung zwischen Ländern, also über Staatsgrenzen. Dies wird auch als internationale Migration bezeichnet.


Allerdings ist auch der Umzug von Land zu Stadt eine Form von Migration. Migration innerhalb eines Landes wird Binnenmigration genannt. Durch die Freizügigkeit in der Europäische Union wird der Umzug zwischen zwei EU Ländern häufig als eine Zwischenform betrachtet. 


Migration muss nicht dauerhaft sein. Die Abgrenzung zwischen temporärer und längerfristiger Migration ist jedoch in der Realität schwierig, da breits für den täglichen Arbeitsweg Staatsgrenzen überquert werden - sogenannte Grenzpendler:innen. Die Vereinten Nationen sprechen von Kurzzeitmigration, wenn sich der Wohnort für mehr als drei Monate verändert, ab einem Jahr bereits von Langzeitmigration. 


Die Motive und Gründe für Migration sind so vielfältig wie die Kulturen und Gesellschaften der Herkunftsländer. Häufige Ursachen sind Kriege, Verfolgung oder Menschenrechtsverletzungen im Heimatland. Zunehmend führen auch Naturkatastrophen, verstärkt durch den Klimawandel, zur Flucht. Darüber hinaus können mangelnde wirtschaftliche Perspektiven sowie persönliche – familiäre – Gründe Anlass dafür sein, das Heimatland zu verlassen. Auch die Aussicht auf besseren Lohn in einem anderen Land kann einer der Gründe für Migration sein. Häufig spielen auch mehrere Faktoren zusammen. 


Der Migrationsforscher Hein de Haas hinterfragt die Aufteilung in Push-Pull Faktoren, welche üblicherweise in Diskussionen über Migration verwendet werden. Diese Aufteilung unterschlägt zum Beispiel, dass die ärmsten Länder, demnach Länder mit den höchsten Push-Faktoren, weniger Emigration aufweisen als Länder mit mittlerem oder hohem Einkommen. Er weist außerdem darauf hin, dass individuelle Entscheidungen für Migration nicht mit den strukturellen Prozessen, welche sich auf diese Entscheidungen auswirken, verwechselt werden dürfen. Migration ist ein Teil von breiteren Aspekten wirtschaftlichen Fortschritts und gesellschaftlichen Wandels. Allgemein ist Migration aktuell ein Aspekt der generellen Urbanisierungstendez, also der Land-Stadt-Wanderung. 


Die internationale Migration in Deutschland nach 1945 lässt sich in sechs Phasen unterteilen. Die erste Phase begann 1945 und dauerte bis 1949. Sie war geprägt von den unmittelbaren Folgen des Zweiten Weltkriegs: Millionen Menschen wurden als sogenannte displaced persons, Vertriebene oder Flüchtlinge nach Deutschland gebracht oder flohen dorthin. In der zweiten Phase, von 1949 bis 1961, setzte eine verstärkte Zuwanderung aus der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in das damalige Bundesgebiet ein. Gleichzeitig begann die gezielte Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte, um den steigenden Arbeitskräftebedarf zu decken. Mit dem Bau der Mauer im Jahr 1961 wurde die innerdeutsche Migration stark eingeschränkt, woraufhin die Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland deutlich ausgeweitet wurde. Diese Entwicklung setzte sich bis zum sogenannten Anwerbestopp im Jahr 1973 fort. Mit dem Anwerbestopp wurde auch versucht, durch Fördermaßnahmen eine Remigration zu erreichen, um die Zahl ausländischer sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter zu reduzieren. Ab 1985 begann eine Phase der verstärkten Ost-West-Wanderung, insbesondere durch die Zuwanderung von Spätaussiedler:innen aus osteuropäischen Staaten sowie Menschen aus der DDR. Parallel dazu stieg die Zahl der Asylbewerber:innen und Flüchtlinge deutlich an. Seit 1998 wird die Zuwanderung stärker reguliert und gesteuert. Ziel dieser Steuerung ist es, bestimmte Migrationsgruppen gezielt zu fördern, was gleichzeitig bedeutet, dass einzelne Gruppen an Bedeutung innerhalb der deutschen Migrationspolitik gewinnen.


Besonders prägend für Stadtallendorf war die Migrationsphase von 1945 bis 1949. In dieser Zeit wurden displaced persons, Vertriebene und Flüchtlinge in den ehemaligen, zu Wohnzwecken umgebauten gebunkerten Produktionsanlagen untergebracht. Auch die beiden darauffolgenden Migrationsphasen hatten einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Stadt: Erstmals wurden gezielt Arbeitskräfte aus dem Ausland für die örtliche Industrie angeworben. Eine zentrale Rolle spielten dabei Italien – insbesondere im Zusammenhang mit dem Unternehmen Ferrero – sowie die Türkei, vor allem im Hinblick auf das Fritz-Winter-Werk.


An der Station “Gastarbeit” in Deutschland (Fritz Winter) können Sie mehr über die Arbeitsmigration nach Deutschland in den 1950er bis 1970er Jahren erfahren. An der Station “Gastarbeit” in Stadtallendorf (Ferrero) können Sie mehr über die Arbeitsmigration in Stadtallendorf erfahren.



Quellen: 

Bade, K.J. et al. (2010) Enzyklopädie Migration in Europa: Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. 3. Auflage. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG.

Dossier Migration: Was ist Migration?’ (2018) Bundeszentrale für politische Bildung, 14. Mai. Abrufbar unter: https://www.bpb.de/themen/migration-integration/dossier-migration/504450/was-ist-migration/ (Zuletzt abgerufen: 20. Juli 2025).

Gans, P. und Schlömer, C. (2014) ‘Phasen internationaler Migration und ihre Auswirkungen auf Raum- und Siedlungsentwicklung in Deutschland seit 1945’, in P. Gans (ed.) Räumliche Auswirkungen der internationalen Migration. Hannover: Verlag der ARL - Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Forschungsberichte der ARL, 3), S. 127–161. Abrufbar unter: https://hdl.handle.net/10419/141932.

de Haas, H. (2014) ‘What Drives Human Migration?’, in Migration: A COMPAS Anthology. Oxford: COMPAS. Abrufbar unter: https://heindehaas.org/wp-content/uploads/2015/05/de-haas-2014-what-drives-human-migration.pdf (Zuletzt abgerufen: 14. Juli 2025).

de Haas, H. (2025) ‘Mythen über Migration: Viele Annahmen stimmen nicht’, Deutschlandfunk Nova, 30. Januar. Abrufbar unter: https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/migration-viele-gaengige-annahmen-stimmen-nicht (Zuletzt abgerufen: 16. Juli 2025).

Schlothfeldt, S. (2002) ‘Ökonomische Migration und globale Verteilungsgerechtigkeit’, in A. Märker and S. Schlothfeldt (eds) Was schulden wir Flüchtlingen und Migranten? Grundlagen einer gerechten Zuwanderungspolitik. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 93–109. Abrufbar unter: https://doi.org/10.1007/978-3-663-11815-2_5.


 
 
 

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Deutsch - Judith B.-E.
English - Hannah P.
Italiano - Alessia C.
Türkçe - Lara S.

Ein Projekt an der Universität Kassel im Fachbereich Architektur | Stadtplanung | Landschaftsplanung, Fachgebiet Stadterneuerung und Planungstheorie im Sommersemester 2025

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Mads Bethge, Sümeyye Doğan, Clara Ebinger, Hagen Freyer, Azim Raschidow und Julia Reichenbach

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